Kulturgeschichte:

Revolutionäres Kino

Lange bevor es den abendfüllenden Erzählfilm gab, produzierte das Jahrmarktskino der Jahrhundertwende eine unerschöpfliche Formenvielfalt. Klaus Kreimeier schafft Überblick über die Kinohistorie.

Das frühe Kino, für viele Filmhistoriker der Vergangenheit erschöpfte es sich mit der Aufregung bei den ersten Filmvorführungen: Mit dem Schreck des Publikums über die naturalistische Einfahrt eines Zuges und dem Staunen über „Die Reise zum Mond“ des Kinomagiers Méliès schien die Bandbreite der Frühzeit des Films abgesteckt. Heute weiß man es besser.

Schon das Jahrmarktskino der Jahrhundertwende war eine eigenständige Kunstform, die lange bevor es den abendfüllenden Erzählfilm gab, eine unerschöpfliche Formenvielfalt produzierte. Ganz neu ist die Erkenntnis nicht: Seit zweieinhalb Jahrzehnten streifen Filmforscher über diesen phantastischen Planeten. Klaus Kreimeiers Band „Traum und Exzess“ schafft nicht nur den Überblick über all diese Entdeckungsreisen. Der Medienwissenschaftler erweist sich dabei auch als grandioser Erzähler mit Weitsicht: Denn nicht nur die Bilder gerieten in der Gründerzeit des Films vor dem Ersten Weltkriegs in Bewegung. Die ganze Welt drehte sich plötzlich anders. Kreimeier schrieb nicht nur eine neue Filmgeschichte im Kontext globaler kultureller Umwälzungen. Er erklärt auch die Revolutionen der Moderne aus denen des Kinos.

(Daniel Kothenschulte in: Berliner Zeitung, 11.10.2011)