Das Cinéorama, Paris 1900
Ein für die Pariser Weltausstellung 1900 geplantes, bei der Ausführung gescheitertes Projekt von Raoul Grimoin-Sanson: 360-Grad-Kino, von zehn Kameras in 70 mm aufgenommen und von zehn Projektoren auf eine Rundleinwand projiziert – der Ballon suggeriert eine Luftreise durch Europa.
“Das 360°-Filmsystem Cinéorama wurde vom Franzosen Raoul Grimoin Sanson Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt und war ein Versuch, die im 18. und 19. Jahrhundert sehr beliebten gemalten Großpanoramen auf das neue Medium Film zu übertragen. Bereits 1896 gab Grimoin Sanson ein erstes Patent für ein solches System ein, er konnte sich aber erst im Zuge der Weltausstellung in Paris 1900 an die Realisierung seiner Idee einer imaginären Ballonreise zu touristisch spektakulären Orten machen. Das Kamerasystem bestand aus 10 sternförmig auf einer runden Holzplatte befestigen Kameras, welche für die Aufnahmen auf einem übermannshohen Gestell montiert wurde. Mittels Handkurbel konnte der 70mm-Film in allen Kameras synchron transportiert und belichtet werden.
Gleichzeitig mit den Dreharbeiten in Europa und Nordafrika wurde am Bau des Cinéorama-Kinos mit angegliedertem Restaurant direkt unter dem Eiffel-Turm gearbeitet. In einem Rundbau von 30 Meter wurden die 10 Projektoren in einem zentralen Betonzylinder von 5m eingebaut. Über dem Projektionsraum befand sich die als Ballongondel ausgestaltete Zuschauerplattform für 200 Personen. Um die Illusion noch zu verstärken, schwebte darüber der untere Teil einer Ballonhülle. Die 10 Leinwände von gut 9 m Höhe waren an der Außenwand der Rotunde befestigt. Die Masse des Cinéoramas lassen den Schluss zu, dass Grimoin Sanson darauf spekulierte, seine Erfindung in bestehende Panoramarotunden einbauen zu können.
In seiner 1926 erschienenen Autobiografie behauptet Grimoin Sanson , dass die Premiere des Cinéoramas am 8.5.1900 vor einem begeisterten Publikum stattgefunden habe, nach nur 4 Tagen seien die Vorführungen aber nach einem Unfall in der Vorführkabine behördlich verboten worden. Die neuere Forschung zweifelt an dieser Version, fehlen doch sowohl in den vielfältigen Pressenotizen Anfang Mai wie auch im offiziellen Abschlussbericht der Weltausstellung konkrete Hinweise auf Cinéorama-Vorführungen.”
Lukas Piccolin
Lexikon der Filmbegriffe
Raoul Grimoin Sanson
“At first he worked on photoengraving and in 1892 made (in Belgium) some anthropometric plates. Returning to France, he came into contact with E-J. Marey, Georges Demenÿ and Albert Londe. In 1895, interested in moving pictures, Grimoin-Sanson bought a pirated ‘Edison’ Kinetoscope manufactured by Robert Paul. He wanted, like many others, to project Edison films onto a screen. His camera/projector, the Phototachygraphe, was demonstrated in February 1896 to a journalist from L’Intransigeant, and he patented the fairly crude mechanism the following month, and later an improved model, the Multiplex. In 1897, he offered to several retailers a new machine with a four-arm Maltese cross. He then conceived a panoramic projection process, Cinécosmorama or ‘Cineorama‘, patented on 27 November 1897. A limited company was created, which financed the building of ten cameras and ten projectors. The cameras were arranged in a circle and filmed simultaneously, by means of a single central drive – ten films which, when projected, created a gigantic panoramic moving scene. He produced several films around Europe, and in Paris placed his ten cameras in the basket of a balloon to take aerial views. Cinéorama was installed at the 1900 Universal Exposition in Paris, the ten projectors arranged in a circle in a cabin so that the films all joined together on the circular screen. But the ten arc lamps created such a heat that this installation never functioned, despite the inventor’s later claims. The Cinéorama company went bankrupt and all its equipment was sold in 1901. Grimoin-Sanson gave up cinema and entered the cork industry.”
Laurent Mannoni
Who’s Who of Victorian Cinema
TRAUM UND EXZESS, S. 27 f.