Ein rhythmisches Unternehmen

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Afgrunden, 1910: Der “Gauchotanz”. Asta Nielsen und Poul Reumert

“Der Tanz findet statt auf einer Varieté-Bühne. Rechts im Anschnitt des statisch bleibenden Bilds sieht man im Graben einen Stellvertreter des hinzuzudenkenden Orchesters. Das Publikum sieht man die ganze Zeit nicht. Oder, genauer gesagt: In den Blick gerückt ist nicht das Publikum im Theater, sondern sind drei Männer im Hintergrund, backstage, darunter ein Pickelhauben-Polizist, der vom Tanz ungerührt wirkt. Aber auch für die drei tanzt Asta und schwingt sie ihr Lasso nicht. Sondern für uns. Der erotische Sadomaso-Tanz, den sie vorführt, richtet sich vollkommen eindeutig an die Kamera, nicht an das fiktive Publikum im Theater. Das Kino also schnappt sich die Bühne und positioniert alles um.”
Ekkehard Knörer
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“Die Ballettmeisterin aus einem Zirkus, der gerade in der Stadt gastierte, bekam den Auftrag, den Tanz zu arrangieren und uns beiden die notwendigen Fertigkeiten dafür beizubringen. Es erwies sich bald, daß Reumert sich am besten zum Stillstehen eignete. So machten wir denn aus der Notwendigkeit eine Tugend, und seine Tanzleistung wurde auf ein paar übertriebene Freiübungen beschränkt, mit denen er versuchte, dem Lasso zu entgehen, das ich sinnbildlich mach ihm schleuderte. Zum Schluß fing ich ihn ein und fesselte ihn siegreich. Damit war ihm die Möglichkeit für weitere Attitüden genommen. Er stand mitten auf der Bühne und nahm mit verschränkten Armen und verächtlicher Miene meine Liebeserklärungen in Form eines leidenschaftlichen Bauchtanzes entgegen. Dicht an ihn gepreßt, führte ich meine liebeskranken Verrenkungen um das arme Opfer auf. Da ich noch nicht wußte, welch hohes Maß an Zurückhaltung der Film in diesem mir fremden Fach erfordert, legte ich alles, was ich an Sehnsucht, Feuer und enttäuschter Liebe besaß, in mein rhythmisches Unternehmen. Und niemand erhob Einspruch, nicht einmal der Kameramann (…).”
Asta Nielsen: Die schweigende Muse. Berlin (DDR) 1977, S. 125

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TRAUM UND EXZESS, S. 255